… vorweg: ich bekenne mich schuldig, im Sinne der Anklage …
Sehr geehrter Professor Dr. Truger,
In einem Beitrag des bayerischen Rundfunks vom 01.06.2023, 12:11 Uhr konnte ich Sie Herr Prof. Dr. Truger hören. Sie führten zum kommenden EU weiten Lieferkettengesetz folgendes aus:
„Zudem sei es nötig, auch kleinere Unternehmen (also KMUs wie meines) einzubeziehen. Sie hätten im Normalfall weniger Zulieferer und Geschäftspartner als Großunternehmen und könnte deshalb intensivere sowie nachhaltige Geschäftsbeziehungen aufbauen. Diese seien nötig, um Menschenrechte und Umweltschutz zu fördern. „Deutsche Mittelständler sind heute bereits in der Lage, ihre Zulieferketten sehr gut zu organisieren. Sonst wären sie nicht so erfolgreich. Und wer eine hervorragende Qualität seiner Produkte in technischer Hinsicht garantiert, wird auch dazu in der Lage sein, wenn es um Löhne, Arbeitszeiten und Brandschutz bei den wesentlichen Zulieferern geht“.
Wir sind uns einig, lieber Herr Truger, es ist empörend, wenn Menschen ausgebeutet werden und die Umwelt auf unverantwortliche Weise geschädigt wird. Die Verantwortlichen müssen am besten sofort und weltweit zur Rechenschaft gezogen werden. Uneinig sind wir darüber, wen wir verantwortlich machen sollten. Ich lade sie ein, mit mir anhand von zwei Beispielen über Sinn und Unsinn des geplanten Lieferkettengesetzes für KMUs nachzudenken.
Mit 200 Mitarbeitern bauen wir modernste Direktantriebe für Industrie, Mobilität und Energie in Miltenberg am Main. 2017 haben wir für die Energieeinsparungen durch unsere Produkte den deutschen Umweltpreis erhalten. Herr Prof. Truger, sie glauben, dass ich in der Lage sein sollte, die Regeln des Lieferkettengesetztes bei meinen wesentlichen Zulieferanten einzuhalten?! Das sind, wie bei den meisten KMUs des Elektro- und Maschinenbaus, die Lieferanten von Stahl und Kupfer. Die von uns verwendeten Materialien kommen zu 40-50 % aus Recyclingprozessen und 50-60 % aus dem Erzabbau, d.h. aus südamerikanischen und afrikanischen Mienen.
2 Beispiele Kupfer und Stahl
Kupfer: Der bedeutendste Kupferproduzent der Welt ist Chile, mit großem Abstand folgen Peru und die USA. wie viele andere Firmen auch, kaufen wir Kupfer an der Börse (nicht zur Spekulation, sondern zur Verarbeitung). Wir kaufen etwa 100t pro Jahr. Dieses virtuelle Kupfer übergeben wir unserem Lieferanten. Dieser hat sich darauf spezialisiert Firmen zu beliefern, die für ihn und letztlich für uns, Kupferdrähte herstellen. D.h. für ihn arbeitet eine ganze Reihe von Drahtziehern auf der ganzen Welt. Diese erhalten irgendwann Material von meinem Kontingent und konfektionieren es. Mein Lieferant liefert uns nun so lange Kupferdraht, bis die virtuell gekaufte Menge verbraucht ist. Dann kaufen wir erneut und ‚hinterlegen‘ das Kupfer bei ihm. Unser Lieferant verkauft im Jahr 125 000 Tonnen Kupfer (45% Recyclinganteil). Wir kaufen 0,08% seines Jahresumsatzes. Auf meine Nachfrage hin wurde ich darüber informiert, dass ‚unser‘ Kupfer aus europäischen Mienen, Recycling Prozessen aber auch aus chilenischen Mienen kommt.
Ich konnte den noch größere Vorlieferant meines Lieferanten, der in Chile kauft, ausfindig machen und ihn mit dem Lieferkettengesetz konfrontieren. Ich habe ihn 2023 aufgefordert, mir mitzuteilen, aus welcher Miene er sein Material stammt. Seine Antwort war: Um ein für die Elektroindustrie geeignetes Kupfer zu erzeugen, benötige er die Mischung aus dem Material von etwa 100 verschiedenen Mienen, vermischt mit etwa 30 % Recyclingmaterial. Die Mienen, von denen er Material bezieht, kann er mir nicht nennen, das wäre sein Firmengeheimnis. (dafür habe ich Verständnis, denn auch von mir erfährt kein Kunde die inneren Details unserer Motoren. Das ist unveräußerliches Firmen Knowhow.) Dieser Vor-, Vor-, Vorlieferant behauptet, dass bei seinen Lieferanten die Bestimmungen des Lieferkettengesetzes eingehalten werden. Er berichtet weiter, dass bei ihm Journalisten mit Vorverurteilungen aufschlagen. Sie hätten kein Interesse an Tatsachen, sie wollten ausschließlich über Skandale berichten. Dieser Mensch hat auf mich persönlich einen offenen und ehrlichen Eindruck gemacht. Darf ich ihm und seinen Zertifikaten glauben? Die Initiative Lieferkettengesetz fordert: „Zertifizierungen oder Branchenstandards sind keine validen Instrumente, um den Verschuldensmaßstab für Unternehmen bei der zivilrechtlichen Haftung herabzusenken“. Wie könnte ich also vorgehen, um sicherzustellen, dass die Menschen beim Abbau des Kupfers menschliche Arbeitsbedingungen haben, genügend Geld zum Leben verdienen, dass Frauen in der Miene die gleiche Chance und Bezahlung erhalten, wie ihre männlichen Kollegen, dass niemand unter 18 Jahren in den Mienen arbeitet? Mit welcher Antwort meines Vor-, Vor- Vorlieferanten darf ich mich zufriedengeben?
Stahl: Das Dynamoblech, der wichtigste Bestandteil unserer Motoren, kaufen wir bei einem österreichischen Stahlkonzern. Dieser ist ein weltweit agierender Technologie- und Industriekonzern. Sein Umsatz liegt in zweistelliger Milliardenhöhe. Wir kaufen bei ihm viellecht 0,03% seiner Stahlproduktion. Bitte machen Sie mir einen Vorschlag, wie ich an Informationen kommen, oder Einfluss ausüben kann, so dass ich meiner Sorgfaltspflicht nachkommen könnte. Der Konzernansprechpartner erklärte mir, dass sie den Vorgaben das Lieferkettengesetzes entsprechen. Welche und wie viele Aktivitäten dieses Konzerns sollte ich untersuchen, um meiner Sorgfaltspflicht zu genügen? – Sicher, ich hätte Einkaufsalternativen: Die größten Stahlkocher der Welt in Millionen Tonnen Rohstahl sind: China (808,4), Japan (104,8), Indien (95,6), die Vereinigten Staaten (78,5) und Russland (70,8). Sollte ich den Lieferant wechseln? Nach welchen Kriterien sollte ich mir einen neuen Lieferanten suchen, welche Zeit soll ich dafür verwenden?
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden auch beim Abbau der Materialien Menschenrechte und auch Umweltbedingungen, wie wir sie in Europa für richtig halten, nicht eingehalten.- Ja, die Verantwortlichen müssen gezwungen werden ihre Sorgfaltspflicht zu entsprechen. – Ich bin jedoch nicht im Stande das zu verändern und bekenne mich deshalb schon jetzt schuldig, im Sinne der Anklage des zu erwartenden Lieferkettengesetzes.
Fazit:
Sehr geehrte Damen und Herren, die sie ein hartes Lieferkettengesetz in Europa durchsetzen wollen. Sie drohen mir mit einer Strafe von bis zu 2% meines Umsatzes. Darüber hinaus wird in Brüssel verhandelt, ob eine Beweislastumkehr erforderlich wird. D.h. ich müsste, dann für etwa 1000 Lieferanten und etwa 10 000 Vorlieferanten nachweisen, dass diese auf dieser Welt alle Regeln der EU einhalten?! Sorry da fehlt ja noch die 3.,4.,5.,6., Lieferkette usw. Die Initiative-Lieferkettengesetz fordert: „Keine Begrenzung der Sorgfaltspflicht auf direkte Geschäftspartner! Das EU-Lieferkettengesetz muss die gesamte Wertschöpfungskette abdecken, von der Gewinnung von Rohstoffen bis hin zur Nutzung und Entsorgung von Produkten“. Mit den KMUs und den mittelständischen Firmen haben sie jedoch die Falschen im Visier!
- Die Verantwortung für 100- und 1000-mal größere Lieferanten kann kein KMU ernsthaft übernehmen.
- Die Verantwortung für direkte, ähnlich große und kleinere Lieferanten, können wir übernehmen. Die für die gesamte Lieferkette – das ist unmöglich!
- Die geforderte Beweislastumkehr für eine mehrgliedrige Lieferkette, wie angedacht, bedeutet für KMUs, dass sie jeden Prozess verlieren werden. Das betrifft alleine in Deutschland etwa 6500 Unternehmen aus dem deutschen Maschinenbau. Final bedeuten ihre Forderungen das Ende des deutschen mittelständischen Maschinenbaus, den Verlust von Wohlstand, Ausbildungsplätzen und der Arbeitsgrundlage tausender von Dienstleistern.
- Unsere Mitbewerber aus China freuen sich jetzt schon auf die neue EU -Gesetzgebung, denn sie werden ihre störenden Mitbewerber aus Europa los. Ob die Produkte, die wir dann verwenden, günstigere Bedingungen für Menschen und Umwelt in den Rohstoffländern bewirken, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.
Mit freundlichen Grüßen,
direkt von der Anklagebank - Johannes Oswald
Unternehmer aus Miltenberg
Oswald Elektromotoren GmbH
PS: Vieles von dem, was der deutsche mittelständische Maschinenbau aus Stahl und Kupfer fertigt, wird dringend für die Energiewende und zur Erreichung unserer Klimaziele benötigt. Anderes dient der grundlegenden Wohlfahrt unserer Gesellschaften: Stahl für Brückenbau, Bahnen, Bauwerke, Antriebe, Schiffe, Generatoren, Windkraftwerke usw.. Obwohl Stahl und Kupfer weltweit recycelt werden, werden wir Menschen weiterhin Erze abbauen. Aktuell beträgt der Recyclinganteil der EU bei Stahl bei etwa 56%, weltweit etwa 40%. Bei Kupfer liegen die Werte ähnlich. Der Erzabbau ohne negative Eingriffe in die Natur ist nicht möglich.