Mein Name ist Johannes Oswald, ich bin Unternehmer in dem Miltenberger Familienunternehmen  Oswald Elektromotoren. Wir entwickeln und bauen zusammen mit etwa 100 Mitarbeitern Elektromotoren für die Industrie. Im Frühjahr 2004 hatte ich die Gelegenheit einen Chinesischen Industriepartner zu besuchen. Bei dieser kurzen Chinareise konnte ich mit Erstaunen feststellen, dass China nicht nur ein enormes Wirtschaftswachstum hat, sondern, dass u. a. Städteplanung mit Verstand und Geschmack vollzogen wird. Hier knüpft eines der bedeutendsten Kulturvölker ganz offensichtlich an eine selbstbewusste und traditionsreiche Vergangenheit an. Ich habe ganz persönlich, ausgesuchte Gastfreundschaft erfahren und das soziale Engagement eines Großunternehmens kennengerlernt, von dem sich einige deutsche Unternehmer etwas abschneiden könnten.

Doch was bedeutet China für mich als Mittelständler?
Nach eingehender Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten war ich aufgefordert mich in einem Minderheit – Joint Venture zu beteiligen, in dem ich das Know-how und mein viel größerer chinesischer Partner das Kapital einbringen wollte.
Mein deutscher Partner, der gerade seine know – How dort zur Markte trägt wollte mich überreden mitzumachen, die niedrigen Löhne auszunutzen um selbst günstiger bei mir einkaufen zu können. Nach reiflicher Überlegung habe ich freundlich abgesagt. Heute verkaufen wir Motoren aus Deutschland über unsere deutschen Kunden nach China und wir kaufen hochwertige Magnete aus China ein. Ich halte etwas von einem fairen, auf Partnerschaft angelegten, Miteinander. China hat uns vieles zu bieten und wir haben China etwas zu bieten, z. B. moderne Technik.

Deutschland ist sehr stark im Maschinenbau. Das liegt an der Kompetenz einzelner Unternehmen, z. B. der Firma Reis, es liegt aber auch daran, dass viele Spezialisten auf engem Raum miteinander arbeiten und miteinander vernetzt sind.
Ich beziehe z. B. Alu-Motorgehäuse aus Großheubach und lasse sie in Amorbach oder Kleinheubach bearbeiten. 3 meiner 4 größten Kunden sind im Umkreis von 100 km angesiedelt, … noch!
Eine solche Nähe und Vernetzung von Unternehmen bringt entscheidende Entwicklungen in kürzester Zeit zustande und das heißt technologischen Vorsprung. Gemeinsam sind wir konkurrenzfähig, trotz hohen Lohn- und Lohnnebenkosten. Wir brauchen uns nicht zu verstecken.
China bietet aus wirtschaftlicher Sicht zwei Dinge, die jedoch oft direkt ineinander greifen. Ein riesiger neuer Markt will und kann bedient werden und Löhne im Bereich von 5 bis 10 % unsere Löhne und kapitalistisch traumhafte Rahmenbedingungen locken zur Produktionsverlagerung. Auf Letzteres will ich blicken. Meine Damen und Herren, ich halte es aus Sicht der Deutschen Volkswirtschaft für unverantwortlich, unmoralisch und leichtfertig Produktionen oder ganze Unternahmen ins billige Ausland zu verlagern, denn:

  • nach der Produktion geht die Konstruktion, die Entwicklung und
    letztendlich wird das eigene Know-how abwandern.
  • Mitarbeiter die seit Jahrzehnten Verantwortung übernommen
    haben ziehen unvermittelt den Kürzeren.
  • Und dann frage ich sie: Wo sollen ihre Kinder einmal arbeiten?

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen nimmt derzeit traumatische Züge an. In ist es, derzeit der Masse zu folgen, die suggeriert, wer nicht verlagert liegt nicht im Trend, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Natürlich gibt es Zwänge, auch bei uns, massive Zwänge und Notwendigkeiten, die manche zu einem solchen Schritt bringen. Zu viele Zeitgenossen sind jedoch allein auf der Suche nach kurzfristigem Erfolg unterwegs in den Billiglohnländern wie China, Tschechien, Ungarn oder Rumänien.

Ich bin gegen den Ausverkauf deutscher Technik zugunsten kurzfristiger Geschäftserfolge.
Das heißt: Der Technologiestandort Deutschland überlebt nicht oder nur mit massiven Abstrichen, wenn wir alleine den Einkäufern oder Managern mit Einkäufermentalität die wirtschaftlichen Entscheidungen überlassen. Da sehe ich echt schwarz.

Ein Beispiel: Vor kurzem musste ich mir von einem Kunden ins Gesicht sagen lassen: Herr Oswald, sie bieten uns zwar die beste technische Lösung, aber wir können ihr Produkt nicht kaufen, weil wir es preislich nicht vergleichen können! ? Wir warten bis ihr Mitbewerber in etwa einem halbe Jahr mit ihnen gleichgezogen hat, dafür haben sie doch Verständnis oder?  Ich habe für so was überhaupt kein Verständnis! ‚Unsere Überlebenschance am Markt‘ (in Deutschland im Maschinenbau für etwas anderes kann ich nicht sprechen) besteht darin den entscheidenden Technologievorsprung zu halten und wichtige Entscheidungen nicht von Einkäufern sondern von Unternehmern mit Mut und technischen Sachverstand treffen zu lassen. Dankeschön!