„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung“ kommentierte Kaiser Wilhelm II um 1890. Etwa zur selben Zeit behauptete Carl Benz: In ein paar Jahren werden wir keinerlei Bedarf mehr an Pferden und Kutschen haben. – Heute 100 Jahre später fällt es uns leicht über das eine zu schmunzeln und das andere als selbstverständlich richtig zu betrachten. – Nun stehen wir wieder vor einem Umbruch und es stellt sich die Frage: Wie wird die Mobilität von morgen aussehen? Dürfen wir in Zukunft mit Verbrennungstechnik, Hybridfahrzeugen oder Elektromobilität rechnen oder gibt es noch ganz andere Möglichkeiten der individuellen Fortbewegung als das Auto?
Guten Tag sehr geehrte Damen und Herrn, herzlichen Dank für die Einladung zum heutigen Jahresempfang
Eine Pflanze wächst an einer Stelle und zwar genau an der, an der ihr Keim Wurzeln schlägt. Mal abgesehen von ihren Samen ist sie eine echte Immobilie. Erst die Entwicklung der Tierwelt vor ca. 600 Mio. Jahren hat diese enorme Bewegungseinschränkung aufgehoben. Tiere fliegen, schwimmen und laufen und auch der Mensch versucht sich in allen Bewegungsarten – mehr oder weniger erfolgreich.
Huftieren sind unterwegs in den Steppen, Fische und Wale im Meer oder Zugvögel am Himmel. Sie sind dabei instinktive unterwegs auf der Suche nach Partnern und Futterplätzen, oder machen sich auf den Weg in günstigeren Klimazonen. Bei ihren Zielen unterschieden sie sich damit kaum von unserer Motivationen zur Bewegung. Auch wir Menschen sind auf der Suche nach einem geeigneten Partner oder fliehen vor kalten Wintern nach Teneriffa, wir lassen das Essen durch die Mobilität anderer bringen, ein Teil der unserer Welt umfassenden Handelsströme. Zusätzlich sind wir unterwegs, zur Arbeit, aus Vergnügen, um uns zu bilden oder unseren Horizont zu erweitern. Die Stundenzahl, die wir zu unserer Mobilität einsetzten hat sich dabei seit Jahrhunderten kaum verändert. Allein wir legen in der gleichen Zeit das Vielfache an Kilometern zurück.
In einem jedoch unterscheiden wir uns völlig grundlegend von allen anderen Tieren. Wir verlassen uns bei unserer Fortbewegung kaum mehr auf Muskelkraft, sondern zu über 95% auf Erdöl.
Erdöl und andere fossile Brennstoffe haben unser menschliches Leben seit etwa 100 Jahren komplett verändert. Nahezu unser ganzer Wohlstand baut auf Erdöl auf, nicht nur im Blick auf unsere Mobilität. Ohne Öl ginge nichts mehr, gar nichts mehr: Keine Mobilität, keine Industrie, keine medizinische Versorgung, keine Lebensmittel und Supermärkte, keine Kommunikation. Gäbe es morgen kein Öl mehr, so würde unser Demokratie mitsamt unserer westlichen Lebensweise innerhalb von Tagen wie ein Kartenhaus zusammenfallen und an den meisten Orten dieser Welt sähe es nicht besser aus. – Wir haben uns auf dieser Erdölwelt behaglich eingerichtet, doch diese Behaglichkeit bleibt nicht ohne Störung.
Nach den Ölkrisen der 70er Jahre stieg der Erdölpreis 2008 in astronomische Höhen, zumindest aus Sicht des Verbrauchers. Über Nacht wurden große Karossen zu Ladenhütern, der Riese GM geriet ins Wanken. Automobilhersteller schrieben sich fast über Nacht die Elektromobilität groß auf die Fahnen. A. Merkel verkündete, historisch im selben Atemzug, dass bis 2020 auf deutschen Straßen 1 Mio. Elektroautos fahren werden. Die Elektromobilität nimmt ihren 4. Anlauf in der Fahrzeuggeschichte und das mit großem Nachdruck und auf technologisch höchstem Niveau.

Doch schauen wir zuerst auf die aktuellen Fahrzeuge und ihre Entwicklung:
Vergleichen wir ein Auto von vor 30 Jahren mit einem heutigen PKW, so fällt auf: In ihm stecken inzwischen etwa 150 kleine Elektromotoren, um uns das Leben zu vereinfache, 6 bis 8 Airbags sind Standard. Die Motorleistung hat sich mindestens verdoppelt, wir fahren heute schneller denn je (solang wir nicht im Stau stecken) und vor allem sicherer. Knautschzone, Gurtstraffer, optimierte Kopfstützen, Airbags, neue Materialien in stabilen Karossen haben die deutsche Unfallstatistik massiv verbessert. Waren in den 80iger Jahren noch 12 000 Menschenleben auf unseren Straße zu beklagen, so haben wir heute nur noch 4000 Verkehrstote im Jahr und das bei 40 Mio. zugelassenen PKWs. Ein Vergleich aus der guten alten Zeit: 1929 waren in Deutschland bei 120 000 zugelassenen PKWs fast 6000 Verkehrstote zu beklagen. Das sind auf die angemeldeten PKWs bezogen fast 500 mal so viel wie heute.
Im Vergleich zu vor 30 Jahren haben wir heute doppelt so viel Power unter der Haube, anstatt einer bewegen wir etwa zwei Tonnen Gewicht, wenn wir von A nach B wollen und das Ganze mit etwa der Hälfte des früheren Spritverbrauchs. Das, meine Damen und Herren, ist technischer Fortschritt, vielfach ‚Made in Germany‘, darauf können wir stolz sein! – und doch – es reicht nicht, bei weitem nicht!
Der globale Automarkt boomt. Für das Jahr 2020 rechnen die Vereinten Nationen mit 1 Mrd. PKW auf dieser Welt, derzeit sind wir bei etwa 600 Mio. Wollten die fast 7 Mrd. Menschen, alle genauso viel Auto fahren, wie wir, so würden schon heute 3,5 Mrd. Autos diese schöne Welt befahren. Sie würden 6 mal so viel Benzin verbrauchen und Abgase in die Luft blasen.
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Der WWF – schreibt in seinem jüngsten Bericht ‚Living planet report ‘dass wir Menschen mit dem aktuellen deutschen Lebensstils ausgestattet dauerhaft 2,3 Planeten wie die Erde bräuchten, beim amerikanischem Lebensstils wären es sogar 4,4 Planeten. Wir haben jedoch nur diesen einen! Mit anderen Worten, unser Lebensstil geht zu Lasten der weniger entwickelten Staaten oder nachfolgender Generationen. Natürlich können wir darauf hoffen, dass die viele Menschen dieser Welt einfacher leben als wir und so mehr vom Planeten für uns übrig bleibt !?!. –
In Peking haben die Behörden aufgrund der Staus und mangelnden Parkmöglichkeiten aktuell die Zahl der Neuzulassung von 800 000 2010 auf nun 200 000 für 2011 reduziert. Afrikaner und Südamerikaner haben sowieso keine Chance auf ausreichende Straßen, das verzögert das Problem und schafft etwas Luft zur Problemlösung. Denkt man jedoch daran welche Menschenmassen unserm westlichen Lebensstiel nacheifern, so kann man die Ölreserven und -Ressourcen vor dem geistigen Auge schwinden sehen. Dazu noch ein paar Prognosen: Innerhalb der nächsten 30 Jahre werden sich der Ost-West Güterverkehr, der alpenüberquerender Verkehr sowie der weltweite Luftverkehr etwa verdreifachen. In den letzten 22 Jahren haben wir Menschen etwa die Hälfte des bisher weltweit geförderten Öls verbracht. Solche Hälften gibt es vielleicht noch zwei oder vielleicht drei, in immer kürzeren Zeitperioden.
Die zentrale Aufgabe lautet: Wenn wir unseren westlichen Lebensstil über das Ende der fossile Brennstoffe hinaus erhalten wollen, und damit rechnen müssen, dass auch andere Bewohner dieser Welt einen ähnlichen Lebensstil anstreben, so müssen wir umgehend Alternativen zu Benzin, Diesel und auch Erdgas suchen.
Da bietet sich die Elektromobilität als Lösung an. Denn Elektromobil erhalten wir die exklusive Chance Autos anstatt mit fossilen Brennstoffen mit Strom zu betreiben. Mobilität wäre damit erstmals regenerativ und nahezu schadstofffrei zu haben. Eine wirklich faszinierende Chance!! Natürlich müsste der Strom dazu anders als bisher aus Wind, Wasser, Welle, Strömung, Aufwind, Biomasse oder mit der Sonne erzeugt werden und das ist technisch anspruchsvoll und teuer für unsere Volkswirtschaft.
Dazu einige Stimmen aus der Automobilwelt:
Martin Winterkorn, VW sagt: „die Zukunft gehört den emissionsfreien, elektroantrieben Fahrzeugen, betankt an der Steckdose“. Der VW E-Up soll 2013 auf den Markt kommen.
Norbert Reithofer von BMW verspricht: „Wir entwickeln das Auto ganz neu“. BMW hat bis jetzt schon über 500 Mio. Euro in die Entwicklung seines Mega City Vehicles mit Kohlefaserkarosse gesteckt (böse Zungen behaupten allerdings BMW könnte an dieser Entwicklung zu Grunde gehen).
Daimler Chef Dieter Zetsche meint: „wir haben das Automobil erfunden, jetzt erfinden wir es neu“. Damiler hat sich 2008 mit 49,9 % beim Batteriehersteller LI Tech eingekaufte und ist damit einer der wenigen Hersteller von Li-Io Akku in Europa. Die Li-Io Batterietechnik leistet inzwischen etwa das 3 – 4 fache gegenüber Bleibatterien und ist die Grundlage der Elektromobilität.

Ja, worauf warten wir dann noch?
Ein Elektromotor (sie wissen ich bin Elektromotorenbauer) stellt einen Ver-brennungsmotor sowieso in den Schatten: volles Drehmoment ab Drehzahl 0. 95% Wirkungsgrad anstatt 35%, weiter Drehzahlbereich, kein Schaltgetriebe, leiser, vibrationsärmer, rückspeisefähig, wartungsfrei, keine Abgase vor Ort, keine Explosionsgefahr und vieles mehr, allein der Motor verbraucht Strom statt Diesel oder Benzin. – Nun, und es gibt sie schon die passenden Autos mit folgenden klingende Namen:
TW4xP, Th!nk, Up, street scooter, Tesla, Lekker, Stromos, Ion, i-MiEV, Ampera, EWE E3, e-wulf Delta, akive e, City sax und viele andere. – Ja, kennen Sie diese Autos? –
Nein? – Kein Wunder, sie sind entweder von wenig namhaften Herstellern oder eben einfach noch nicht zu haben. Darüber hinaus sind sie teuer und klein, haben Reichweiten von etwa 100 – 150 km und deutlich reduzierte Sicherheitseinrichtungen.

Da stellt sich die Frage: Warum sind denn so mickrig, die angebotenen Elektroautos: klein, langsam, unsicher und alles andere als attraktiv? und müssen subventioniert werden, damit sie überhaupt jemand kauft? Es gibt viele Gründen und Dinge, an denen man derzeit optimiert. Es gibt jedoch aus meiner Sicht nur ein einziges zentrales Thema: Und das ist die mangelhafte Energiedichte der Batterien! Diesel oder Benzin haben eine etwa 90 fach größere Energiedichte als der beste käufliche LI Io – Akku. Das ist, wie, wenn Sie beim Volltanken anstatt 60 Litern nur 1 knappen Liter tanken würden. – Damit ließe sich kein Verbrennungsauto fahren. Dass ein E- Auto trotz diesem katastrophalen Verhältnis funktioniert, möchte ich ihnen vorrechnen: Voraussetzung also: Verhältnis von 1:90. Zum Vergleich nehmen wir z.B. einen VW Touran. Sein Dieselmotor hat einen durchschnittlichen Wirkungsgrad von z.B. 30%, E-Motoren haben einen von 90%: Der 3 x so gute Wirkungsgrad verbessert das Leistungsdichte Verhältnis Batterie / Diesel von 1:90 auf etwa 1: 30. Der E- Motor kann beim Bremsen Energie zurückspeisen: Das verbessert das Verhältnis von 1:30 auf 1:24, der Diesel fährt 600 km weit, das E-Auto nur 150, man benötigt also nur ein Viertel der Energie statt 1:24 kommt man auf 1:6, Nun packen wir 3 mal so viel Batteriegewicht ins E-Auto wie Diesel, also 180 anstatt 50kg. Unser Verhältnis verbessert sich von 1: 6 auf 1:2, Dann reduzieren wir das E –Auto Gewicht auf die Hälfte, also anstatt 1,6 Tonnen darf es nur noch 800kg wiegen. Jetzt sind wir beim Verhältnis 1:1 das E-Auto ist fertig. So können sie es aktuell kaufen: Es ist klein und leicht, hat reduzierte Sicherheitsvorkehrungen, weniger Platzangebot, geringe Reichweite und eine teure, schwere Batterie. Könnte heute jemand eine stabile Batterie anbieten, die z.B. 15% der Energiedichte von Diesel hätte und nicht mehr als 5000.- Euro kosten würde, so wäre er im Handumdrehen Multimilliardär.
Zurück zur Realität: Energiedichte: Diesel zu Batterieblock 1:90. Und trotzdem hielte ich es für falsch den Optimismus zu verlieren. Wir leben im 21. Jahrhundert und die aktuellen technischen Entwicklungen gehen schwindelerregend schnell. Sie haben noch einiges für uns in petto. Ich denke, dass es schon in einigen Jahren deutlich bessere und billigere Batterien geben wird. Solange bleibt die breite Einführung von Elektro-PKW eher Zukunftsmusik. Nischenmärkte dagegen können schon heute äußerst effektiv bedient werden. Der Markt für e- Fahrräder und e-Skooter boomt. Das geringes Fahrzeuggewicht, niedrige Sicherheitskosten, geringe max. Reichweite. Im Verhältnis zum transportierten Körpergewicht benötigt man nur geringe mobile Energiemengen. Diese Form der Mobilität lässt sich mit Li-Io Batterien schon heute gut realisierten. Auch reine Stadtfahrzeuge oder kommunale Fahrzeuge mit geringen Reichweiten lassen sich jetzt schon elektrisch vernünftig betreiben.
Doch, meine Damen und Herrn, die Vertreter der Verbrennungsmotoren sind ebenfalls aktiv.
So gehen die Flottenverbräuche der PKWs beständig zurück und es sind 4 Sitzer verfügbar die weniger als 4 Liter Sprit verbrauchen. Das aktuell energie-sparendsten Autos ist übrigens schon vor 17 Jahren entwickelt worden. Der Audi A2 mit etwa 3 Litern Diesel auf 100 km – er war für Audi ein wirtschaftlicher Flop, denn damals wie heute steht die Mehrzahl der Käufer auf geräumige, stark motorisierte Fahrzeuge.
Auch die Beimischung von Biokraftstoffen scheint eine Aufschiebung für die Verbrennungstechnik zu bieten. Diesen Weg halte ich jedoch für unverantwortlich und ungeeignet, denn er reduziert die Anbauflächen für Lebensmittel und trägt bei Palmöl zum Abholzen des Urwalds bei oder ist als Rapsöl energetischer Unfug und nur durch Subventionen scheinbar sinnvoll.
Es könnte jedoch noch ganz anders ausgehen. So wurde jüngst ein Verfahren vorgestellt mit dem sich regenerativ erzeugter Wasserstoff recht einfach in einen mit Benzin vergleichbaren Brennstoff umwandeln lässt. Möglicherweise eine echte Alternative für regenerative Verbrennungsmotortechnik.
Stellt sich die Frage: Wie, meine Damen und Herren, werden wir uns in den nächsten 20- 30 Jahren fortbewegen?
Aus meiner Sicht wird es kein entweder oder geben, eher ein sowohl als auch. E – Fahrzeuge werden bei verschiedenen Zielgruppen und vor allem in Innenstädten, erfolgreich sein. Metropolenbewohner mit geringem Parkraum in Peking, Shang Hai, Delhi., Mexiko City oder auch Sao Paulo sind hierbei die Kunden der Zukunft und sie werden eigene Maßstäbe setzte.
In jedem Fall wird unsere Mobilität ökologischer werden müssen. Wiederverwertung und Recycling wird bei knapper werdenden Rohstoffen immer attraktiver, der gesamte ökologischen Produktlebenszyklus kommt so in den Fokus, ein Gebot der Stunde, das z.B. von Toyota schon seit längerem massiv verfolgt und proagiert wird.

Eine völlig andere Möglichkeit wäre, dass sich unser Mobilitätsbedarf drastisch reduziert – nicht weil wir vernünftig werden und aufs Fahrrad umsteigen, nein daran glaube ich nicht – aber vielleicht, indem die elektronische Kommunikationstechnik echte Mobilität relativiert?! Twitter, i-fon, facebook, skypen, 3D im Wohnzimmer ersetzen zunehmend unsere realen Begegnungen. Aus ökologischer Sicht wäre das vielleicht wünschenswert, aus gesundheitlichen Aspekten kann man hierbei nur den Kopf schütteln.
Sicher ist, es gibt kein Zurück in eine irgendwie geartete ‚gute alte Zeit‘. Wir werden Innovationen und modernste Technik mit nachhaltiger Vorgehensweise kombinieren müssen, wenn wir unserer Lebensweise und unsere Mobilität erhalten wollen. In diesem Sinne fordert uns die Zukunft auf, uns einzubringen und zwar mit Herz und Verstand.
Danke schön!
Johannes Oswald