z.H. Herrn Staatssekretär Luft
Zusammenstellung zur überbordenden Bürokratie, angeregt durch das Strategieforum der Hightechstrategie 2025 — Es ist eine Momentaufnahme ohne Anspruch auf Vollständigkeit, die die bürokratischen Herausforderungen eines mittelständigen Familienunternehmers mit
200 MA beschreibt.
Beispiel: Umweltmanagement
Als Unternehmen sind wir verpflichtet uns an 238 Vorschriften halten, die hier grob untergliedert sind. Bemerkung: Bei 200 Mitarbeitern beschäftigen wir in der Verwaltung 15 Mitarbeiter, die neben der Einhaltung von Vorschriften für Einkauf, Lager, Vertrieb, Buchhaltung und Geschäftsleitung zuständig sind.

Beispiel: Energiemanagement — Übersicht
Als Firma treffen für uns etwa 20 Vorschriften zu, die jedes Jahr mindestens 20 Änderungen erfahren. Um unsere Rechtssicherheit zu behalten beschäftigen wir ein Beratungsbüros. Im Detail aufgeführt
sind hier die wichtigsten 13 Gesetze und Verordnungen zum Thema Energie genannt. Nebenbei: Unser Geschäft ist der Bau und Vertrieb von Elektromotoren und Generatoren und nicht Energie.


Details zur LSV — fasse es wer es fassen kann
Zur Abrechnung an Ladesäulen gegenüber Kunden und Mitarbeitern gilt: Bei der Weiterberechnung von Strom an Kunden oder Mitarbeiter sollte der Verbrauch ausgewiesen und inkl. aller Steuern/Abgaben/Umlagen und Netzentgelten berechnet werden. Hierzu kann man sich an der Versorgerrechnung orientieren. Bei Oswald wurden 2018 vier Säulen mit geeichten Zählern installiert.
Nun erreichte uns folgende Information: Nur mit einer 1/4h-Lastgangmessung bei der Weiterleitung an Dritte kann man das für jede 1/4h beweisen. Sollte der Dritte doch mal z. B. Sonntagnachmittag PV-Strom verbrauchen, wird nur die dann an ihn weitergeleitete Menge mit der vollen EEG- und KWK-Umlage belegt. Bei geringen Weiterleitungsmengen kann ggf. mit einem geeichten Zähler (kein Lastgang) gemessen werden und die weitergeleitete Menge wird mit 100% Umlage belegt. Das kann einfacher (billiger) sein als eine Lastgangmessung zu implementieren. Der Technische Leitfaden für Ladeinfrastruktur Elektromobilität V3 hat 44 Seiten. Um der Gesetzeslage zu entsprechen werden nun die vor zwei Jahren installierten Ladsäulen herausgerissen, verschrottet und durch neuere für den Stand 2020 gesetzeskonforme Ladesäulen ersetzt. Bemerkung: Wir sind kein Produzent von Ladesäulen und haben auch kein Interesse Strom via Ladesäulen zu verkaufen.
Ergänzung zum EEG — an Komplexität kaum zu überbieten
Ein einmal gut gemeintes Förderinstrument ist zu einem innovationsverhindernden Monster angewachsen. Als Unternehmer möchte ich gerne ökologisch wirtschaften, Energie erzeugen und meinen Energieverbrauch optimieren. Unsere technische Kompetenz ist dafür bei weitem ausreichend — nicht jedoch für die sich beständig ändernden Rahmenbedingungen, Einschränkungen und Vorschriften. „Die Ursprungsfassung des EEG enthielt 12 Paragrafen auf 6 Seiten. Über die Novellen in den Jahren 2004, 2009, 2012, 2014 und 2017 (die nächste in 2021) kletterte der Umfang auf 104 Paragrafen und 116 Seiten zuzüglich 4 Anhängen, in denen unter anderem über 5.900 verschiedene Vergütungskategorien und -höhen für Ökostrom festgelegt sind. Der Inhalt des Gesetzes ist in für Laien in unverständlicher Sprache formuliert und durch eine Vielzahl von Verweisen und Bezugnahmen nur noch Experten zugänglich.“ https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/lichtblicke-kolumnen/20-jahre-eeg-ein-fossil-hat-geburtstag/
Als innovatives Unternehmen haben wir seit 1996 die siebte oder achte PV — Anlage auf unseren Dächern errichtet. Letztes Jahr baten mich Energieversorger und zuständigen Mitarbeiter nach stundenlangen Knobeleien, die Inbetriebnahmedaten der PV — Anlagen nachträglich verändern zu dürfen, da sie anders keine Möglichkeit sehen die komplexen staatlicher Vorschriften einzuhalten Bemerkung: wir beantragen und erhalten bewusst und seit vielen Jahren 0 Euro Einspeisevergütung für unsere PV Anlagen!!
Wärmeschutzverordnung — gut aufgebläht hält länger warm
Die ursprüngliche Wärmeschutzverordnung aus dem Jahr 1977 hatte 3414 Wörter und 15 Paragraphen und war mit etwas Bauphysikalischem Grundwissen von jedem noch zu verstehen:
http://www.luftdicht.de/geschichte/WSchV77.pdf
Die neueste Fassung inklusive der Begründung besteht aus 50047 Wörter mit 114 Paragraphen, was allerdings noch lange nicht alles ist: Hinzukommen hochkomplizierte Normen und weitere Durchführungsverordnungen, die Architekten beachten müssen.
http://www.enevonline.eu/geg/referentenentwurf/text/17.01.23_GEG_Entwurf_fuer_Verbaendeanhoerung.pdf
Bemerkung: Die Verständlichkeit für den einfachen Endkunden ist nicht mehr ansatzweise gegeben.
Brandschutzverordnungen — ein Selbstbedienungsladen
Der Feuerwiderstand (auch Brandwiderstand) bzw. die Feuerwiderstandsklasse eines Bauteils steht für die Dauer, während der ein Bauteil bei einem Normbrand seine Funktion beibehält. Dabei werden je nach geprüftem Bauteil definierte Anforderungen u.a. an die Tragfähigkeit, den Raumabschluss oder die Wärmedämmung gestellt.
Das Miltenberger LRA gibt seine Entscheidungskompetenz bezgl. Brandschutz schon lange an private Gutachter weiter — zu komplex für die Beamten! Lobbyismus und Einflussnahme auf die Gesetzgebung und vor allem die Auslegung von Gesetzten und Verordnungen sind heute in den Händen einer Brandschutzmafia, die ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt.
Alles was ich als für meine 200 Mann Firma baue sind nach dem Gesetzt Sonderbauten. D.h. ich muss jeweils einen Sachverständigen fürs Brandschutzkonzept beauftragen und einen weiteren der das Konzept im Anschluss prüft. Bei Neubauten ist das viel aber überschaubar. Bei Umbauten verlieren die jeweiligen Gebäude ihren Bestandsschutz und es wird wahnsinnig teuer und kaum mehr handelbar. Tatsache ist: wenn ich den Brandschutznachweis I und II nicht vorlegen kann wird mir der Betrieb im jeweiligen Gebäude eingestellt (vgl. 8 min Brandschutzvideo zum Oswald — Bürobau).
Einem dieser Sachverständigen habe ich vor Jahren mal gefühlt an die Gurgel gegriffen und gefragt warum er mich so quält. Seine Antwort: Schauen Sie: die Privatleute haben kein Geld und auf die Großunternehmen haben wir keinen Zugriff, also stürzen wir uns auf den Mittelstand. Seit etwa 10 Jahren nimmt der Brandschutz eine übermächtige Stellung im Bauwesen ein. Es werden aber Milliarden Euro verbaut, ohne dass sich die Zahl derer, die durch Brand oder Rauch sterben verändert. Ein befreundeter Architekt formuliert das so: früher habe ich Gebäude gebaut, heute baue ich Brandschutz mit Gebäudefunktionalität.
Transport von flüssigem Wasserstoff — ein Armutszeugnis
Alle reden von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Beispiel Flugzeugantriebe: Hier ist flüssiger Wasserstoff bei 21Kelvin gesetzt. Gerade bereiten wir einen finalen Versuch für einen wasserstoffgekühlten Flugzeugantrieb vor (EU Forschungsprojekt ASUMED, wir, Oswald, sind Konsortialführer). Es ist mit das Neueste vom Neuen um bei Flugzeugantrieben der Zukunft Abgase, Verbrauch und Geräusche drastisch reduzieren zu können. Nach 3 Jahren europäischer Kooperation verzögert sich der Abschluss unseres Projekts nun immer weiter, denn die einzige Firma, die bis vor kurzem lizensiert war flüssigen Wasserstoff in kleinen Mengen (1000l) auf deutschen Straßen zu transportieren, hat ihre Lizenz verloren. Meine Prognose: Neueste Technologien werden aus bürokratischen Gründen in Zukunft nicht in Deutschland und vermutlich auch nicht in Europa entwickelt.
Roboterentwicklung — die Zukunft ist verloren
Ein guter Bekannter, ehemaliger Geschäftsführer einer deutschen Roboterfirma ist nach wie vor voller Elan weiter neueste Roboter zu entwickeln. Auf meine Rückfrage wird er das von Deutschland aus in China tun, denn dem Verwaltungs- und Genehmigung — Dschungel Deutschlands will er sich in Zukunft nicht mehr aussetzten. — Kein Problem, die Chinesen haben mit Kuka und Reis schon die wichtigsten Deutschen Player übernommen um deren Know How Stück für Stück ins Reich der Mitte zu transferieren.
Steuergesetzgebung — wer soll diese Verantwortung tragen?
Jedes Jahr sind mein Steuerberater und mein Wirtschaftsprüfer wochenlang damit beschäftig unsere Steuerunterlagen (Mittelständler 200 Mitarbeiter) so aufzubereiten, wie es der Gesetzgeber erwartet. Ein anderer befreundeter Steuerberater sagte mit: Als Steuerberater bemühe ich mich immer auf dem Laufenden zu sein, ob ich jeweils tatsächlich die unendliche Fülle von Vorgaben und ihre jeweiligen Änderungen einhalten kann, weiß ich nicht. Die jährlichen Änderungen gehen in die Tausende, es ist ein Graubereich.
Persönlich habe ich schon lange aufgegeben die Details zu verstehen. Dennoch unterschreibe ich jährlich Erklärungen, Erhebungen und Abschlüsse in einer sich beständig ändernden Gesetzeslage mit einer nicht enden wollenden Zahl von Unterschriften. Im Ernstfall wird mir der Gesetzgeber (wie schon passiert) mit der Härte des Gesetzes drohen: „sie Herr Oswald hätten wissen müssen, dass …“
Neulich blockierte eine Steuerprüferin des Finanzamtes für einige Wochen unser Besprechungszimmer 4. Ein Ende ihrer Tätigkeit ist nicht absehbar. Seit vorgestern belegt ein Zollprüfer ein zweites unserer fünf Besprechungszimmer für mehrere Tage. Noch haben wir drei Besprechungsräume für unsere Arbeit übrig …
Darüber hinaus
Es gibt eine kaum enden wollende Fülle bestehender und neuer Vorschriften und Regeln, an die wir uns als Unternehmen halten müssen, wie z.B. Zollerklärung, Konformitätserklärung, DSGVO, Einwanderungsgesetz, Qualitätsnormen, Lieferkettengesetzt, Reach-Verordnung, Arbeitsschutzverordnung, Betriebsverfassungsgesetzt und — und — und — die hier nicht zur Sprache kommen.
Kritik und Fazit
Die Erfüllung der Gesetze, Verordnungen und Vorschriften und vor allem ihre beständigen Änderungen ist für eine Mittelständische Firma mit 200 MA kaum zu leisten. Als Geschäftsführer stehe ich fortwährend mit einem Bein im Gefängnis. Die staatliche Aufgabendelegation von unübersichtlichen Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften führt zu deren Aufblähung und zur Etablierung eines beständig wachsenden tertiären Sektors von Berater und Juristen, die die ihnen übertragenen Aufgaben gerne weiter detaillieren und damit ausbauen. Dieser vornehme und hochbezahlte tertiäre Sektor schöpft seine Daseinsberechtigung aus der Vielzahl sich beständig verändernder Gesetze, Vorschriften und Verordnungen und trägt de facto nichts zum Mehrwert bzw. der Wohlfahrt unserer Gesellschaft bei.
Einige Anregungen
- Umsetzung der Gesetze Verordnungen und Vorschriften vereinfachen, kurz und verhältnismäßig. Die Einhaltung der Gesetze sollte möglichst ohne Berater und Gutachter umsetzbar sein.
- Die ständige Änderung der Gesetzeslage ist für die Unternehmen ein enormer Aufwand!
- Es jedem gerecht machen zu wollen, führt zu komplexer und ungerechter Gesetzgebung.
- Energie: Abschaffung des komplette EEG und Einführung einer einfachen CO2 Steuer.
- Großzügige Bagatellgrenzen bei Gesetze, Vorschriften und Verordnungen für die Kleinen Startups und KMUs, die andernfalls umgehend an der Last der Bürokratie ersticken.
- Anonyme Firmenstrukturen, in denen Entscheider ihren Mitarbeitern nicht bekannt sind und die auch nicht am Standort leben und damit keiner sozialen Kontrolle unterliegen müssen besonders streng geprüft werden. Einführung einer einfachen Besteuerung als Prozentsatz das erwirtschafteten Umsatz. Gerechter und einfacher geht’s nicht. Nur die Unternehmen, die das nicht leisten können, müssten begründen warum.
- Abschreibungszeiten massiv kürzen= bestes Konjunkturprogramm für gesunde Unternehmen.
- Runter mit der Abgabenlast bei abhängig Beschäftigten. Wer als Handwerker nur 50% von dem ausgezahlt bekommt, was sein Arbeitgeber Brutto zahlt, kann davon keine andere Handwerker bezahlen — Ergebnis: Schwarzarbeit
- Gute Steuerzahler sollten wertgeschätzt oder geehrt werden, und damit anderen als Vorbild dienen und nicht wie derzeit als: „nur zu dumm zu Steuern umgehen“ zu gelten.
- Reduzierung der Staatsausgaben ermöglicht die Reduzierung der Steuerlast der Bürger
Johannes Oswald, Miltenberg, 08.10.2020