zum Hinweisgeberschutzgesetz vom 02.06.2023

… tatsächlich hatte ich schon angefangen an der Innovationsfähigkeit unserer Gesetzgeber zweifeln. Ich hatte mich getäuscht, endlich ist es wieder soweit, ein neues Gesetz, als deutlich Ergänzung des bürokratischen Wahnsinns ist am 2. Juli 2023 erschienen. Herzlichen Glückwunsch, ich verneige mich in Demut vor denen, die im Schweiße Ihres Angesichts diesen Unfug für vielen Millionen Euro Aufwand in 42 Paragraphen verewigt haben.

Endlich wird wieder Ordnung im Staat, Deutschland? — Ja, ich hab’s tatsächlich gelesen. Nach 19 Seiten Gesetzestext brummt mir der Schädel gehörig. Verstanden habe ich: Es geht darum, dass ab sofort gute Bürger, die böse Bürger verpfeifen, einen besonderen Schutz vor dem Gesetz genießen.

Melden sollen sie sich dazu bei externen und internen Meldestellen: „Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Auszubildende, Beamte, Beamtinnen, Richterrinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten, in unselbstständiger Tätigkeit Arbeitende und auch Menschen mit Behinderung.“

Ihre neue Aufgabe, sehr geehrte Mitarbeiter, ist es nun, ihre jeweiligen Vorgesetzten und Arbeitgeber gegenüber dem Gesetzgeber anzuschwärzen, zu verpfeifen, der Gerechtigkeit zu übergeben und das ohne jedes persönliche Risiko.

So ähnliche Gesetze, erinnere ich mich, hat es in der Vergangenheit doch schon öfter gegeben, oder? In Italien gab es die ,Bocca de la veritá’ in die man ein Denunziationsschreiben hineinlegen konnte. Schwindler, mussten dabei befürchten, dass ihnen die Hand abgebissen wurde. Seit Jahrtausenden nutzen Despoten die Denunziation zu ihrem Machterhalt. Wer sich im Naziregime gegen den Führer äußerte, einen Juden versteckte oder einen ausländischen Rundfunksender hörte, den konnte man sofort denunzieren. Die Nazis nannten das „Heimtücke Gesetz, Äußerungsdelikte, Rundfunkverbrechen etc.“ Durch die Stasi erhielt die Denunziation in der DDR einen weiteren Höhepunkt. Kein Bürger war sicher vor Spitzeln und Verrätern.

Gerne möchte ich an dieser Stelle klarstellen: wir leben hier in einem Rechtsstaat und ich vermute, die aktuelle Aufforderung zur Denunziation ist bei uns tatsächlich eher unkritisch. Aber bedenken Sie, erst vorgestern wurde Polen wegen fehlender Rechtstaatlichkeit von der EU verurteilt und wird voraussichtlich die EU Ratspräsidentschaft übernehmen. Demnächst könnte in den USA wieder einer Präsident werden, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Merken Sie was? Auch wenn sich das niemand wünscht, der Schritt zum Unrechtsstaat ist klein, auch Deutschland ist nicht sicher davor. Ein etabliertes Denunziationsgesetzt würde dann zur Katastrophe werden.

Ganz abgesehen davon, was macht dieses Gesetz aus uns Menschen und unserer Gesellschaft, wenn wir per Gesetz zum ungestraften Denunzieren aufgefordert werden — und ist das nicht eine Steilvorlage für alle Unrechtssysteme etwas ähnlich zu erfinden? Was mich als Unternehmer ärgert: wieder erhöhen wir mutwillig die Bürokratie und schaffen weitere qualifizierte Beamtenstellen für derartigen Unsinn und das in einem Land, in dem qualifizierte Fachkräfte Mangelware sind. Alle, die in diesen Meldestellen brav arbeiten werden, kosten unsere Steuergelder. Auch müssen sie sich intensiv schulen lassen, um sinnvolle von sinnlosen Beschuldigungen unterscheiden zu lernen. Um die Arbeit dieser Denunziationsstellen im Vorfeld zu reduzieren, sollen wir Unternehmen nun die Vorwürfe gegen uns selbst sammeln. Zitat: „es sollen Anreize geschaffen werden, dass sich hinweisgebende Personen vor einer Meldung an einen externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden“. Geht’s noch? Das ist doch kompletter Unfug. Übrigens ist genau geregelt wie die DSGVO bei diesen Vorgängen eingehalten werden kann: Zitat: „Bei telefonischen Meldungen oder Meldungen mittels einer anderen Art der Sprachübermittlung darf eine dauerhaft abrufbare Tonaufzeichnung des Gesprächs oder dessen vollständige und genaue Niederschrift

(Wortprotokoll) nur mit Einwilligung der hinweisgebenden Person erfolgen. Liegt eine solche Einwilligung nicht vor, ist die Meldung durch eine von der für die Bearbeitung der Meldung verantwortlichen Person zu erstellende Zusammenfassung ihres Inhalts (Inhaltsprotokoll) zu dokumentieren.“ Kann ich das dann vielleicht von einer KI zusammenfassen lassen? oder erhalten Berufe mit guten der guter Deutschkenntnissen nun unerwarteten Aufschwung?

Übrigens, auch und gerade, wenn sie der einzige Arbeitnehmer ihres Chef sind, genießen sie nun diesen Denunziationsschutz. Will der Staat damit vor allem die Arbeitsverhältnisse von schwarz arbeitenden Putzfrauen und -männern beenden? Ja, ich vermute, mit dieser Maßnahme werden tatsächlich kaum große, dafür aber tausende kleiner Delikte erfasst — die Großen werden ungeschoren davonkommen, die Kleinen werden bestraft, insofern die Kapazität unserer jetzt schon hoffnungslos überforderten Gerichte dies ermöglicht.

Was sie, sehr geehrten Damen und Herren Gesetzgeber, in jedem Fall massiv beschädigen, das ist das Vertrauen der Menschen zueinander! … haben wir denn tatsächlich nichts Besseres zu tun, als uns gegenseitig bespitzeln? Was wird das für einen Gesellschaft werden? Hoffmann von Fallersleben jedenfalls schrieb dazu: „der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“

D.h. vermutlich kommen weniger die Guten als vielmehr die, die sich ärgern, die neidisch sind, die sich sowieso angegriffen fühlen, in den Genuss dieses neuen staatlichen Schutzes??

Nochmal, damit wir uns nicht falsch verstehen, in unserem Rechtsstaat erhält der Bürger tatsächlich recht oft Recht vor Gericht, also warum dieser zusätzlicher Schutz? Und mal ehrlich, sollte ich wirklich ernsthaft Verbrecher und kriminelle Machenschaften und Banden anzeigen, wäre dieser bürokratisch Schutz doch keinen Pfifferling wert!? Glauben sie ernsthaft, wir hätten mit diesem Gesetz die Finanzkriese mit ihren wirtschaftlichen Folgen oder den Dieselskandal verhindern können? Wenn mich einer intern darauf aufmerksam macht, das bei uns etwas schief läuft, und ich erkenne er hat recht, dann bedanke ich mich und er braucht dieses Gesetz nicht. Sollte wir extrem unterschiedlicher Meinung sein, was nützt ihm dieser rechtliche Schutz in einer dann zerrütteten Zusammenarbeit? Ok, ich gehe wieder zu sehr von mir aus. Wenn es also anonyme Strukturen gibt, in denen ich meinen Vorgesetzten nicht ansprechen kann? … ja, da könnte es helfen. Dann verfassen sie dieses Gesetz bitte auch nur für die Großindustrie und die finanzgeführten Unternehmen und lassen sie uns Mittelständler, Familienunternehmen, Handwerker und Putzfrauen unbehelligt!

Ich weiß, es ist sowieso nichts mehr zu ändern. Was bleibt, ist die Trauer über noch mehr Bürokratie und sinnlos gesätes Misstrauen im Land. Es ist mir bewusst, dass auch diese Gesetzgebung von Brüssel kommt. Das macht die Sache jedoch nicht besser und in mir steigt ein gewisses Verständnis für die Brexitianer auf … .

Und ja, unsere Gesetzgebung wird immer perfekter, alle technischen und menschlichen Lücken werden anhand von Gesetzen, Verordnungen und Regulierungen geregelt, die kein normaler Bürger mehr versteht. Die ersten Juristen bieten mir schon an, dieses Gesetzt für mich gesetzeskonform umzusetzen und mein Unternehmen in Zukunft zu begleiten, … danke! Irgendwann werden wir in bürokratischer Perfektion wirtschaftlich untergehen.

Johannes Oswald, Miltenberg, 06.06.2023

PS: Aus gegebenem Anlass veröffentliche ich meinen unerhörten‘ Beitrag zur Bürokratie von 2020