Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister Habeck, lieber Robert,
selten trat einer so ehrlich und geradlinig, so bodenständig, und unaufgeregt und doch zielstrebig auf wie Du. Menschen wie Du, so dachte ich sollten unser Land regieren. Doch ich denke ich, hab mich getäuscht. Dabei geht es mir nicht um die Graichen — Affäre sondern um deine reale
Wirtschaftspolitik. Sie passt so überhaupt nicht in mein Bild einer sozialen oder sozialökologischen Marktwirtschaft. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich mich kurz vorstellen: Ich leite eines der zehntausend Familienunternehmen in Deutschland und bin damit einer von den Unternehmern, die zusammen die meisten Arbeitsplätze stellen, überproportional ausbilden und prozentual die meisten Steuern in Deutschland zahlen. Persönlich bin ich mit der grünen Idee aufgewachsen. In den 70igern haben wir mit der Aktion ‚Jute statt Plastik‘ auf die Umweltprobleme aufmerksam gemacht, in den 90igern die ersten PV — Anlagen gebaut, kleine E- Autos gefahren und Bauanträge für
Windkraftanlagen eingereicht. Tschernobyl und später Fukushima hat uns und mich bis ins Mark erschüttert und ich habe nicht nur die nergiewende unterstützt sondern auch unser Unternehmen entsprechend ausgerichtet. 2017 durften wir für unser Engagement den deutschen Umweltpreis
entgegennehmen. Nein Robert, damit möchte ich weder angeben noch behaupten, dass ich es besser könnte. Du darfst jedoch verstehen, dass wir mit vielen Ideen nah beieinander liegen.
Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, sind wir jedoch meilenweit voneinander entfernt. Kurz und knapp: Den meisten von uns ist bewusst, dass der Klimawandel mittel- und langfristig das größtes Problem für die Welt und auch für Deutschland ist. Die Frage lautet, wie kommen wir zügig weiter?
Wenn US Amerikaner auf Deutschland schauen, sagen sie gerne: ihr lebt im Sozialismus! — bislang habe ich geantwortet: Nein, das in Deutschland ist eine verantwortungsvolle soziale Marktwirtschaft, und die funktioniert besser als euer Kapitalismus. Lieber Robert, wenn ich auf deine Politik schaue bin ich mir nicht mehr sicher: Verschleppte Infrastrukturmaßnahmen und staatliche Eingriffe einerseits, fehlende Motivation zu Verantwortung und unternehmerischem Handeln andererseits.
Gibt es ein Problem so schauen wir inzwischen gebannt auf den Staat: er wird es schon richten, abfedern oder subventionieren. Lieber Robert, mit Dir bewegen wir uns gerade deutlich Richtung Planwirtschaft. Marktwirtschaft dagegen heißt Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, heißt Wettbewerb der Ideen. Wer die besseren Ideen, den größeren Fleiß und die zeitgemäßeren Produkte hat, ist erfolgreicher als der andere. Darüber hinaus hat unsere Marktwirtschaft eine soziale Komponente, die allen Bürgern unseres Landes ein vielleicht bescheidenes aber lebenswertes Dasein ermöglicht. Darauf dürfen wir alle stolz sein.
Nun rücken die planetaren Grenzen mit Nachdruck in das gesellschaftliche Bewusstsein. Die Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass wir Menschen die Welt verändern, nicht mal absichtlich, aber durch unser Handeln, unseren Lebensstil und unsere enorme Anzahl. Genau wie bei der sozialen
Komponente müssen wir nun als verantwortungsvolle Menschen und als Großverbraucher‘ dringend reagieren. Dabei stellen wir fest: Es ist gar nicht so einfach es wirklich gut zu machen. Zwei technische Probleme möchte ich exemplarisch nennen: Erzeugung, Verstromung und Transport von CO2 neutralem Wasserstoff über die Weltmeere ist technisch sehr anspruchsvoll und nur mit schlechtem Wirkungsgrad möglich. Noch viel ärgerlicher: Trotz enormer Fortschritte können wir Menschen im größeren Maßstab keinen Strom speichern!
Nun schauen wir auf unsere Gesellschaft und unsere jeweiligen Möglichkeiten und wollen beide vorbildlich handeln. Du als Politiker, ich als Unternehmer. Wie können wir schnell und effizient vorgehen? Viele haben lange darauf gewartet, eine neue ökologische Richtung hinzuschlagen. Jetzt bist Du der Hoffnungsträger. Doch deine Regierungszeit ist kurz und durch Corona und den unsäglichen Krieg noch kürzer geworden. Dein Wunsch, den Energieumbau in Deutschland übers
Knie zu brechen führt, aus meiner Sicht, zu verschiedenen Fehlern. Zwei möchte ich aufzeigen:
1) Dein Weg ist direktiv und gepflastert mit strikten Vorgaben, die tief in das Leben der Bürger eingreifen. Alles was dabei nicht passt versuchst Du mit recht detaillierten Subventionen auszugleichen. Das ist Planwirtschaft und keine Marktwirtschaft.
2) Du vergisst einen wesentlichen Auftrag des Wirtschaftsministers und vernachlässigst die Strom — Infrastruktur, die beim anvisierten Energieumbau massiv ausgebaut werden muss. Darüber hinaus erhöht sich der Strombedarf einer ‚all electric society‘ mit E — Mobility, E- Tankstellen, Wärmepumpen und Co. erheblich. laut Prognosen wird er sich bis hin zur Klimaneutralität ca. verdoppeln. — Ich weiß, die Kernenergie ist für Grüne ein rotes Tuch. Die Restlaufzeit der letzten Kernkraftwerke um einen weiteren Satz Brennstäbe zu verlängern, wäre ein Klacks gewesen. Das hätte die Atommüllmenge kaum verändert, der CO2 Einsparung genutzt und die Versorgungssicherheit für den Süden aufrechterhalten. Nun werden wir im Winter jede Menge CO2 ausstoßende Kohle- und Gaskraftwerke vorhalten und laufen lassen müssen. Gleichzeitig stehen an der Küste Offshore- Anlagen still und kosten den Steuerzahler Milliarden, weil die Netze fehlen. Mit dem ‚green deal‘ planen die Europäer die Offshore Leistung bis 2030 auf 60 GW und bis 2050 auf 300 GW auszubauen! Das ist gut so, aber lieber Robert, wo bleiben die vielen dringend benötigten HGÜ — Leitungen um die Energie nach Süddeutschland zu transportieren? Warum setzt Du das Infrastrukturprojekt Leitungsbau nicht längst per Dekret um, so wie bei den LNG Terminals? Stattdessen werden wir im Süden aktuell verpflichtend tausende von Windkraftanlagen mit im Vergleich geringen Volllaststunden auf wenig geeigneten Standorten zu errichtet. Davon abgesehen wird uns Bürgern nun vorgeschrieben, wie wir in unseren Häusern heizen sollen. Das, lieber Robert, ist unnötige Planwirtschaft. Wie dein Vorgänger im Amt, förderst Du E-Autos und deine Regierung verbietet Verbrenner, obwohl es noch keine sicher skalierbare Lösung für das europaweite Autofahren auf Langstrecken gibt. Einen Effekt hat es trotzdem, und zwar den, dass die Autoindustrie höhere Preise aufrufen kann. Deine Regierung hat den Sprit gefördert — Großkonzerne haben dabei dicke Gewinne eingestrichen. Du subventionierst den Gaspreis — die entsprechenden Energieriesen lachen sich ins Fäustchen. Um in diesem planenden Durcheinander die energieintensive Wirtschaft nicht zu verlieren, soll nun deren Stromverbrauch subventionieren werden. Subventionierter Strompreis für ein Teil der Gesellschaft ist immer ungerecht und fördert den Missbrauch. Mit der Kombination aus fehlender Infrastruktur und planwirtschaftlichen Eingriffen bist du auf dem Holzweg. Kleinunternehmen und Mittelstand, vor allem aber alle steuerpflichtigen Bürger, erwirtschaften das, was die Regierung großzügig nach ökologischem Gutdünken verteilt. Kollateralschäden sind eine allgemeine Verunsicherung, die schwindende Attraktivität des Standorts Deutschland, hohe Staatsausgaben, noch mehr Bürokratie und ein verfehltes CO2- Ziel. Schimpfen ist immer leicht, deshalb noch ein paar Tipps, was ich anders machen würde: Zunächst zur Info: Es ist eine Binsenweisheit und müsste von deinen Vorgängern noch groß an den Wänden des Ministeriums stehen: Jeder Euro den Du über Steuern einnimmst und wieder verteilst ist hinterher nur noch 50 Cent wert ist. Den Rest verschlingt die Bürokratie, eine ansonsten nicht erforderliche Vergrößerung des tertiären Sektors, Betrug und staatliches Controlling. Die Erkenntnis: Lass das Geld lieber bei Firmen und Bürgern, anstatt es einzunehmen und es auf einzelne Gruppen wieder auszugießen. Wir Bürger denken und entscheiden gerne selber und viele von uns sind motiviert gerade beim Kampf gegen den Klimawandel mitzuziehen. Wie könnte die Politik dieses Potential sinnvoll nutzen? Beispiel: Mit mehr Wind- und Sonnenenergie wird der bereitgestellte Strom und damit auch der Strompreis immer dynamischer, denn die Physik erlaubt uns nur exakt den Strom zu verbrauchen, der im selben Moment erzeugt wird. Wir Verbraucher, Firmen wie Privatpersonen, benötigen schon lange und jetzt erst recht flächendeckend Preissignale, die sich lastregelnd auswirken würden, denn wir alle lieben billigen Strom. Umgehend wären marktwirtschaftliche Produkte verfügbar, die uns befähigen würden, diesen Strom zeitlich sinnvoll zu nutzen. Darüber hinaus wollen wir auch nicht verordnet bekommen, welche Autos wir bis wann fahren dürfen und welche nicht oder welche Heizungen wir einbauen dürfen. Das alles ließe sich elegant über einen einzigen, übergeordneten und einfachen CO2 Preis erreichen.
Lieber Robert, ich fasse zusammen: Politik hat die Aufgabe eine verlässliche zukunftsfähige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, Versorgungslücken zu verhindern und vor allem langfristige Leitplanken vorzugeben, innerhalb derer wir Bürger und Unternehmer uns so frei wie möglich bewegen können. Wirtschaftspolitik hat nicht die Aufgabe uns zu bevormunden und Detail vorzuschreiben. Letzteres reduziert die Phantasie, sorgt für Lethargie und fördert den stereotypen Ruf nach dem Staat. Weder Du noch ich sind allmächtig und wir wissen auch nicht alles besser als andere. Überlasse das Verteilen dem Markt, er ist innovativer, schneller und günstiger. Stampfe dafür eine Reihe von Detailsteuern und Regelungen ein und gib einfache und klare Rahmenbedingungen für alle heraus. Z.B. in Form eines CO2 Preises, denn der ermutigt zum themen- und technologieoffenen Investieren. Du kannst es Bürgern, Unternehmen und Forschern überlassen geeignete Lösungen zu finden. Darüber hinaus: Selbst wenn wir das durch Deutschland ausgestoßene CO2 komplett auf Null reduzieren, hätten wir nur 1,8% des menschengemachten CO2 eingespart. D.h. neben vorbildlichem Handeln sollten wir vor allen Dingen innovative energiesparenden Technologien entwickeln. Die sind der viel größerer Hebel, mit dem wir die weltweite CO2 Einsparung unterstützen können.
Johannes Oswald, Miltenberg, 20.05.2023